Paiste Factory Tour 2010
EIN BESUCH IN DER
SCHWEIZER PAISTE FABRIK
Am
Mittwoch, den 18.08.2010 besuchte ich mit meiner zehnjährigen Tochter den
Firmensitz von PAISTE in Nottwil, am schönen Sempachersee gelegen. Nachdem
andere Teilnehmer kurzfristig abgesagt hatten, konnten wir nur zu zweit die Firmenführung
genießen. Nach sehr freundlichen Empfang im Drummer Service und kurzem
Aufenthalt im Showroom, in dem alle aktuellen PAISTE Modelle, die in der
Schweizer Fabrik hergestellt werden auch getestet werden können (also die
Serien Signature inkl. Dark Energy und Traditionals, Twenty, 2oo2, RUDE, Giant
Beat), wurden wir von einem hochkarätigen Mitarbeiter des Customer Service
Department durch die Fertigungshallen geführt. Fotografieren war natürlich
nicht gestattet!
Cymbals von Weltklasse – der Herstellungsprozess
bei PAISTE in Nottwil
Allgemeines:
Nicht alle Serien
haben bei PAISTE auch die gleichen Produktionsabläufe. Je nach dem, welche
Modelle gerade die Fertigung durchlaufen ändert sich der eine oder andere
Teilprozess. Aber die Fertigungsmethoden zählen natürlich genau so zu den
Firmengeheimnissen wie die genaue Zusammensetzung der verwendeten Bronze-Legierungen.
Für die
Fachleute in der Produktion gibt es sogenannte Auftragslaufkarten, woraus
ersichtlich ist, welche Becken und wie viele davon zu fertigen sind.
Die Produktionsschritte im Einzelnen
Anlieferung
des Rohmaterials:
Vorbereiten
der Kuppenformung:
Einpressen
der Kuppe:
Stanzen
der Bohrung:
Der
Mitarbeiter ist dafür verantwortlich, dass der Stempel das Loch genau mittig
(geführt durch die Körnerspitze) durch die Kuppel drückt. Was da beim Stanzen
heraus fällt ist das „kleinste Becken der Welt“ (es sieht wirklich so aus!) und
wir durften es behalten, sehr zur Freude meiner Tochter.
Tempern:
Hämmern:
Weiter im
Produktionsverfahren: Dieses Hämmern hat drei Gründe, und wird in folgender Reihenfolge
ausgeführt.
1. Anschmieden der Kuppe: Dort wo
die Kuppe eingepresst ist, also der Übergang von Kuppe zur Scheibe, das ist die
schwächste und sensibelste Stelle jedes Beckens bei der Fertigung. Deshalb wir
als erstes die Kuppe gut angeschmiedet, und zwar mit intensiven Hämmern auf der
Scheibe direkt neben der Kuppe. Ratternd wie eine Nähmaschine schlägt der
hydropneumatische Hammer auf den Bronze-Rohling. Dadurch wird das Material zur
Kuppe hin verdichtet und die Kuppe spring nicht ab.
2. Formgebung
der Wölbung: Mittels regelmäßigen Hämmern auf der Scheibe von innen nach außen
wird die Beckenwölbung in die richtige Form getrieben.
3. Formung
des Klanges: Mit viel Fingerspitzengefühl und
handwerklichem Geschick wird das Becken in kleinsten Schritten unter dem Hammer
um die eigene Achse gedreht.
Durch verschieden dichte Hämmermuster und verschieden tiefe Einschläge wird ein
bestimmter Klang erzeugt.
Aber
welcher Klang? Man muss sich immer vor Augen halten, dass PAISTE der einzige Cymbalproduzent
weltweit ist, der garantiert, dass die einzelnen Modelle der jeweiligen Serien
gleich klingen, also reproduzierbar sind, solange sie neu sind – versteht sich.
Das bedeutet, dass es für jedes Becken ein Referenzmodell (Mastercymbal) gibt,
und dass nachproduzierte entsprechend zu klingen haben. Kleinste Abweichungen
sind erlaubt, aber man muss sie eindeutig zuordnen können. Daher hat der
Hämmerungsspezialist ein Referenzbecken vor sich stehen und vergleicht es immer
wieder mit seinem neu produzierten, aber erstmals nur nach der Form und dem
Hämmermuster, aber noch nicht nach dem Klang.
Dann kommt
das Cymbal zum zweiten Mal unter dem Hammer, und nun wirklich unter dem ganz
normalen „Beckenschmiedehammer“. Weitere Spezialisten führen nun mit speziell
geformten Hämmern gefühlvoll gezielte Schläge aus und bringen die Beckenwölbung
in die endgültige Form, so dass es z. B. komplett plan aufliegt, oder die
Wölbung auf allen Seiten gleich verläuft. Das wird mit Richtplatten und
Schablonen sichergestellt. Außerdem vergleichen sie den Klang mit dem
Referenzmodell, und bearbeiten das Becken so lange, bis es die Grundstimmung
erreicht hat. Immer und immer wieder wird das unfertige Cymbal mit dem
„Klangmuster“ verglichen und nachbearbeitet, man könnte fast sagen, das Becken
wird gestimmt. Das heißt also, bei diesem Arbeitsvorgang werden die Becken zum
ersten Mal angeschlagen, das finde ich sehr spannend!
Der
Vollständigkeit halber möchte ich es nochmals erwähnen: Die Beckenwölbung
entsteht alleine nur durch das Hämmern und nicht durch maschinelles Tiefziehen
mittels Hydraulikpresse, so wie bei manch anderen Herstellern. Durch diese
Wölbung steht das Material unter Spannung, und nur wenn genug Spannung
vorliegt, wird das Becken entsprechend gut klingen. Baut sich diese Spannung ab,
wird der Klang sofort dunkler und dumpfer (z. B. ein Riss in einem
Crash-Cymbal). Auch wenn man diese Risse ausschleifen oder aufbohren kann, das
Becken ist auf jeden fall defekt und klingt nicht mehr original. Das muss beim
Kauf von defekten Becken mit einbezogen werden!
Abdrehen
(Abziehen):
Als
nächster Arbeitsschritt erfolgt das manuelle Abdrehen, auch Abziehen
genannt. Es wird mit einem händischen Stichel durchgeführt, der
Vorgang ähnelt eher dem Drechseln als dem Drehen auf einer Drehbank.
Als Aufspannvorrichtung für das zu bearbeitende Becken dient eine Holzscheibe,
die der Beckenwölbung genau angepasst ist (also einmal das Gegenstück
der Oberseite und einmal das Gegenstück der Unterseite). Fixiert wir
das Becken dabei nur durch einen Schrauben am Mittelloch, auch spannend!
Dieses
Abziehen wird ebenfalls rein händisch gemacht und mit einer sehr erstaunlichen
Präzision und Geschicklichkeit ausgeführt. Mit der linken Hand wird der Stichel
geführt (von Beckenrand nach innen) und mit der rechten Hand wird durch Druck
die Spantiefe bestimmt, also das ist Handwerkskunst im höchsten Ausmaß. Jeder,
der mal einen „normalen“ Metallerberuf erlernt hat (wie ich auch), kann hier
nur neidisch mit den Achseln zucken!
Dieser
Vorgang wir in mehreren Schritten ausgeführt, und somit Schicht für Schicht von
der Beckenunterseite abgetragen. Außen werden mehr Schichten abgetragen, innen weniger, somit wird das
Becken am Rand dünner als in der Mitte. Die maximale Toleranz in der endgültigen
Dicke beträgt wenige 100stel Millimeter, auch das vorgegebene Gewicht muss bis
auf ein paar Gramm genau passen, diese Faktoren werden laufend kontrolliert.
Die meisten
Becken haben dann noch unterschiedliche „Klangrillen“ die durch verschiedene
Abdrehmuster entstehen, z.B. einmal enge Abstände, dann weite, dann wieder enge
usw. (beim 2oo2).
Bis auf die
RUDE-Serie werden alle Becken, die in der Schweizer Produktionsstätte hergestellt
werden, abgedreht.
Zwischenbemerkung:
Entgraten
und Reinigen:
Als weiterer Arbeitsschritt folgt nun das Entgraten, das heißt die scharfen
Kanten, die beim Abdrehen entstehen werden entfernt, und der Rand abgerundet,
damit man sich nicht verletzen kann. Relativ unspektakulär mit Feile und Schmirgelpapier
auf einer rotierendem „Tellerscheibe“. Anschließend wird das Becken penibel
gereinigt und für den Druck vorbereitet.
Stempeln
und Bedrucken:
Wachsen,
Lackieren:
Das
Auftragen einer Schutzschicht wird auch oft fälschlicherweise als „Lackieren“
bezeichnet, aber von einer Lackschicht kann hier keine Rede sein. Mittels
eines Schwammes wir auf einer „Drehbank“ eine hauchdünne
Schutzschicht auf das langsam rotierende Becken aufgetragen. Es ist eher mehr
ein Wachs als ein Lack. Sie dient nur als Schutz vor Fingerabdrücke,
um die neue Optik längere Zeit frisch zu halten und ist je nach Gebrauch
und Umgang nach ca. einem Jahr abgegangen.
Es gab und
gibt aber wieder Serien (Color Sound, Black Alpha), die tatsächlich lackiert
sind, wenn auch mit ganz speziellen Lacken und ganz speziellen Methoden. Was
dazu unbedingt gesagt werden muss: Jede noch so dünne Schutzschicht dämpft den
natürlichen Klang des Beckens, aber das kann bei manchen Modellen auch gewollt
sein. Hier muss jeder für sich entscheiden.
Spezielle
Oberflächenbehandlung:
Diese
speziellen Fertigungsmethoden kann man bei der Factory-Tour nicht sehen, was
auch verständlich ist.
Klangtest:
Qualitätssicherung
und Verpacken:
Lagerung:
Vertrieb:
Generelles zum Schweizer
Produktionsunternehmen
Bei PAISTE
Nottwil handelt es ich um einen Betrieb mit ca. 45 Beschäftigten, bei dem man
sofort das Gefühl hat, dass alle an einem Strang ziehen und jeder von der hohen
Qualität des Produktes überzeugt ist. Jeden Mitarbeiter, den ich auf der
Factory-Tour kennen gelernt hatte, waren freundlich, motiviert, konzentriert
bei der Arbeit aber trotzdem irgendwie entspannt und locker. Für mich ist das
kein normaler Industriebetrieb, sondern ein Handwerksbetrieb mit mehreren
Spezialistenteams, die den Hang zum Künstlerischen nicht abstreiten können. Was
mich bei der Factory-Tour besonders beeindruckt hat ist, mit welcher Hingabe
die Leute bei PAISTE ihren Job machen!
Das
derzeitige Firmengebäude wurde 1970 erbaut und ist nahezu unverändert
geblieben. Oben gibt es die Büros, die Fertigungshallen, darunter die
Lagerhalle und darunter den Showroom, schön stufenförmig in den Hang gebaut.
Der alte Bau, der 1957 errichtet wurde, dient noch als Wertstätte, z. B. für
Gongständer. In der neuen Fabrik gibt es dann noch ein sogenanntes Archiv, in
dem von allen jemals von PAISTE hergestellten Beckenmodellen mindestens eines
(meistens mehrere) Originale aufbewahrt sind, zusätzlich noch viele Prototypen
und diverse „Versuchsträger“. Außerdem natürlich Konstruktionsunterlagen mit
Zeichnungen, Technischen Daten, Fotos, Prospekten, Katalogen, etc. Auch die
sogenannten Referenzmodelle werden dort aufbewahrt. Leider (aber natürlich
nachvollziehbar) kann man diese „Fundstätte für PAISTE-Jünger“ nicht
besichtigen.
Was gibt es noch von der PAISTE Factory-Tour
zu berichten?
Nach dem
Rundgang besuchten wir das sogenannte Museum, das gleich im Eingangsbereich der
Künstlerbetreuung untergebracht ist, von dem ich aber ein wenig enttäuscht war.
Da habe ja ich mehr Vintage-Cymbals, Kataloge, Fotos und andere Raritäten zu
Hause. Aber gut, was soll’s – nicht jeder PAISTE-Besucher interessiert sich für
die Firmengeschichte.
Anschließend
kehrten wir zum Showroom zurück und es gab noch ein langes, aber geduldiges
Frage-Antwort Spiel. Hier konnte ich noch einiges neues erfahren, z.B. auch
über das „Paiste Signature Bronze CUSTOM CAST“ Drumset von Jeff Ocheltree (dem
legendären Drum Tech von John „Bonzo“ Bonham, Billy Cobham, etc.), oder über
die neuen Dark Energy Modelle (ich hatte mein „neues“ Ride sofort ausfindig
gemacht!).
Im Showroom
durfte nun fotografiert werden, was wir auch ordentlich ausnutzten. Zum
Abschied gab es noch reichlich gedrucktes Infomaterial und nette
Werbegeschenke. Wir sagen auch auf diesem Wege nochmals allen PAISTE
Mitarbeitern herzlichen Dank für den tollen Nachmittag!
Ich zitiere hier nochmals
die Philosophie von PAISTE:
Das Prinzip unseres Familienunternehmens besteht darin, stets
neue Klänge bei Cymbals, Gongs und Bronze-Perkussionsinstrumenten nach den
Anforderungen von Schlagzeugern und Perkussionisten zu kreieren. Die Grundlage
dieser Suche nach musikalischen Klängen basiert auf der erfolgreichen
Kombination kreativer Fantasien des Musikers sowie dem erfinderischen Drang des
Instrumentenherstellers. Der anfängliche Funke, der eine solche Suche konstant
belebt, ist in der Tat die Musik selbst - in all ihrer Schönheit, Komplexität
und mit der scheinbar endlosen Kapazität für neue Ausdrucksmöglichkeiten. Die
Beziehung zwischen Klangmachern und Schlagzeugern / Perkussionisten ist die
sehr intime Manifestierung dieses tiefgründigen Prinzips. Dies ist unsere echte
Absicht.
Die Geheimnisse der Klangschaffung umfassen jahrelange
Erfahrungen, fundiertes Wissen über Klang und klingende Legierungen,
sorgfältiges handwerkliches Können sowie intensives Experimentieren. Unsere
Ergebnisse sind niemals zufällig. Bei jedem Cymbal, perkussiven Klang oder
Gong, den wir anbieten, garantieren wir eine sehr hohe Konsistenz der
Klangqualitäten und -farben. Mit Hilfe dieser Tugenden sind wir in der Lage,
ein breites Spektrum an einzigartigen und spezifischen Klängen anzubieten, die
auf die persönlichen Wünsche und Bedürfnisse des Musikers eingehen. Wir sind
stets darauf bedacht, Ihnen jederzeit die allerneusten Klangkreationen zu
präsentieren. Wir stellen Ihnen neue Möglichkeiten zur Verfügung, um Ihr eigenes
Klangspektrum zu erweitern, das in kreativer Hinsicht Ihrer Persönlichkeit
musikalischen Ausdruck verleiht. Dies hilft letztendlich Ihre musikalischen
Träume zu verwirklichen.
PAISTE
Klangentwicklung
PAISTE
Cymbals sind immer auf den neuesten Stand
Experimentierfreudigkeit, Integration und Revolution sind zur Norm geworden.
Die Kunst der Perkussion hat sich so weit entwickelt, dass technische und
musikalische Fähigkeiten inzwischen beispiellose Grenzen erreicht haben.
Schlagzeuger und Perkussionisten beherrschen viele musikalische Sprachen und
musizieren aktiv in verschiedensten Formationen.
Unser Programm ist darauf ausgerichtet, den Trends standzuhalten. Unsere Fähigkeit,
dies zu meistern, ist während jahrzehntelanger Arbeit und Erfahrung exponentiell
gewachsen. Das Ergebnis zeigt ein vielfältiges Programm, das mehr musikalische
Bedürfnisse abdeckt denn je zuvor. Wir kreieren ständig neue Klänge
für Sie; stellen Cymbals her, die noch mehr Potenzial an Abwechslung
und Vielseitigkeit bieten. Wir geben mehr Klang und Funktionalität in
die einzelnen Modelle und erforschen und entwickeln Methoden, um noch befriedigendere
Klänge in die günstigeren Serien zu bringen. Kurz: wir arbeiten
hart daran, dass unsere Cymbals Ihren Bedürfnissen gerecht werden.